Zimtsterne

Wir backen. Alles mögliche. Auf dem Foto sieht man gerade Piratenboote im Backofen dahinschmelzen. Die Begeisterung ist riesig. Es geht ja auch nicht immer um das Ergebnis. Geschmeckt hat es trotzdem. Nach Zimtsternen. Und Advent. Wie ansteckend die Vorfreude von Kindern sein kann.

Backen

 

 

Segen to go

Maria_ohne_HaendeDie Schriftstellerin und Essayistin Annika Reich hat sich von der spirituellen Meisterin Amma aus Indien umarmen lassen. Über diese Erfahrung berichtet sie unter der Überschrift „Segen to go“ sehr eindrucksvoll auf dem Blog der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: bitte hier klicken. Ihre Frage „Was bedeutet es für die Welt, in der wir leben, wenn in Berlin Tausende Schlange stehen, um umarmt zu werden?“ ist damit aber noch längst nicht beantwortet. Oder liegt die Antwort tatsächlich auf der Hand: California Früchte! Vielleicht lautet sie aber auch: Rituals, Home and Body Cosmetics („inspiriert durch Diwali, das jahrhundertealte Fest der Lichter“). Ja, doch! Sinnhaftigkeit kann man überall suchen. In der Turnhalle, im Badezimmer, im Internet oder im Wald. Wir entkommen uns nicht. Und alles kann ein Segen sein, im Sinne von Zeichen. Man muss sich halt die Zeit nehmen, danach zu suchen. Und daran glauben. Oder wenigstens mal kurz darüber nachdenken. Wer man ist. Was man will. Was das alles soll. In einer Zeit, in der Rituale immer mehr verschwinden, bastelt man sich halt selber was zusammen. Von allem nur das Beste. Dass sich nun deutlich mehr Menschen zum Umarmen anstellen als in der Kirche auf den Abschlusssegen des Pfarrers zu warten, ist jetzt wirklich keine Überraschung. Ein Gottesdienst ist so durchritualisiert, dass ihn viele schon gar nicht mehr verstehen. Wenn man sich der ganzen Sache auch nicht so sicher ist, kann das quälend sein. Alleine das Glaubensbekenntnis aufzusagen, erfordert ja doch eine gewisse Verbindlichkeit. Wieviel einfacher und sinnlicher ist da eine Umarmung. Annika Reich hat das während ihrer Begegnung mit Amma alles sehr genau beobachtet: „Die Menschen fühlen sich wohl in einer Gemeinschaft, die sich auf nichts einigen muss, außer auf die Suche nach Trost.“ Ja. Dafür würde ich sie sehr gerne in den Arm nehmen.

Foto: Maria ohne Hände. Gesehen im Augustiner Museum Freiburg.

St. Martin 2014

Dieses Jahr war St. Martin als „Herbstfest“ getarnt. Man traf sich im Klassenzimmer zum Sternebasteln und Kuchen essen. Die Kinder sangen Lieder und präsentierten Gedichte zum Thema „Wind“. Hei hei hussasa, der Herbst ist da! Und zwar in allen Schulfächern. Epochaler oder globaler Unterricht nennt sich das. Nicht nur in Deutsch und Musik wird Wind gemacht. Auch in HUS. Das ist so was ähnliches wie früher Sachkunde. Wofür die Abkürzung genau steht, kann ich leider nicht sagen: Hämolytisch-urämisches Syndrom, Hauswirtschaft und Sozialwesen oder vielleicht doch Heimat- und Sachkunde. Sehe auf den ersten Blick auch keine Unterschied zum Fach MENUK, das auch immer mal wieder auf den Stundenplänen steht: Mensch, Energie und Kultur, oder Mensch und Kunst oder wie auch immer. Ein Leitthema aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu entdecken finde ich eigentlich eine gute Sache. Wenn man bedenkt, dass die Kinder in der Grundschule in vielen Fächern von derselben Lehrkraft unterrichtet werden, macht das auch Sinn. Ehrlich gesagt, kümmere ich mich nicht darum, was im Detail auf dem Stundenplan steht oder in der Schule gemacht wird, solange ich das Gefühl habe, dass die ganze Sache in die richtige Richtung läuft. Lesen, Schreiben, Rechnen – mehr muss man meiner Meinung nach in der Grundschule nicht lernen. Das aber richtig. Ok., jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht vom Thema abkomme. Stichwort Schach, Chinesisch und Robotik-AG …

Es war also ein Herbstnachmittag zum Thema Herbst. Mit vielen Muffins und Dosenwerfen. Immerhin erst ab 16 Uhr. Das ist erwähnenswert, weil die Lehrerin sozusagen in ihrer Freizeit da war. Überhaupt ist diese Lehrerin eine von den Guten. In der Klasse gibt es Kinder, die kein Deutsch können und aus sehr schwierigen sozialen Verhältnissen kommen. Und es gibt Kinder mit Helikopter-Eltern und Smartphone. Dazwischen gibt es noch Kinder mit stinknormalen Fußball- oder Liliefee-Schulranzen. Die ganz normale Härte. Was ich so toll fand: Diese Lehrerin schafft es, dass bei den Vorführungen eine Klassengemeinschaft vor den Eltern steht. Dass kein Kind heraussticht. Und kein Kind verloren geht. Sie gab uns Eltern Gelegenheit und Zeit, miteinander ins Gespräch zu kommen. Das geht sehr gut, wenn man auf den kleinen Stühlen sitzt und mehr oder minder geschickt den Schmuck für’s Klassenzimmer bastelt. Wir teilten Kleber und schenkten uns gegenseitig Aufmerksamkeit. Ich habe jetzt ein neues Kürbiskarottenkuchenrezept und weiß, daß eine Mutter Schicht arbeitet und eine andere ihre kranke Mutter pflegt. Ganz am Schluss zündeten alle ihre Laternen an und zogen damit durch die hell erleuchtete Einkaufsstraße. Die Kinder sangen voller Inbrunst „rabimmel rabammel rabumm“! Es war irgendwie total sinnbefreit. Aber sehr, sehr schön.

Laterne laufen - noch immer cool.

Laterne laufen – noch immer cool.

 

Nikolaus vs Weihnachtsmann

http://www.youtube.com/watch?v=AY2k0NTch2M

Es ist wieder soweit. Geschenkt, dass es schon seit vier Wochen Spekulatus und Lebkuchen zu kaufen gibt. Wir nähern uns der Weihnachtszeit. Und damit den wirklich wichtigen Fragen. Wer ist der Nikolaus? Woher kommt der Weihnachtsmann? Besser: womit kommt er. Mit dem Schlitten? Mit dem Coca-Cola-Truck? Durch den Kamin? Oder durch die Haustür? Kommt er am 5., 6. oder 7. Dezember? Morgens oder Abends? Hat das Christkind auch irgendwas damit zu tun? Vielleicht halten wir es einfach wie die Japaner. Wurde mir von einem Freund kolportiert: Angeblich hing dort der Nikolaus mal am Kreuz. Als Deko. Über einem Kaufhauseingang. Wäre doch auch eine schöne Point-of-Sale-Aktion bei Edeka.

Reformationstag 2014

Luftballons_1200pixHalloween, Reformationstag, Church Night oder Allerheiligen? Am 31.11. gab es ganz schön viele Möglichkeiten zu feiern. Wir waren zu Besuch bei Freunden auf der Schwäbischen Alb. Und da wird natürlich Reformationstag gefeiert. Unsere katholischen Kinder mittendrin im Pulk aus Rittern, Mönchen, „echten“ Hexen und mittelalterlichen Geistern. Sogar Martin Luther höchstpersönlich war erschienen, um in der nur mit Kerzen beleuchteten Kirche die Geschichte vom verlorenen Sohn zu erzählen – und zwar in der langen Version. Ich dachte: „Mmh, ganz schön verkopft. Immer so am Text kleben.“ Aber: Die Kinder waren begeistert. Auf vorsichtiges Nachfragen am nächsten Tag, was Bruder Luther denn genau erzählt hätte, antwortete unser Sohn ohne nachzudenken: „Mama, und wenn man noch so dreckig ist und stinkt, wird man geliebt!“

Glockenturm_1200pixAuch unsere Tochter hatte sich ihre Gedanken gemacht: „Man gibt Gutes und bekommt Gutes zurück.“ Sie bezog sich wohl eher auf das „Rahmenprogramm“. Mitten in der Nacht auf den Kirchturm zu steigen und gemeinsam an den Seilen die Glocken zum Läuten bringen ist in der Tat ein unvergessliches Erlebnis. Dazu gehörte für sie auch, in der Kirche eine Butterbrezel zu essen und frisch gepressten Apfelsaft zu trinken. Anschließend zogen die Kinder durch das Dorf und verteilten Lutherballons und Schriftrollen mit der Geschichte vom verlorenen Sohn. Am Ende des Abends brachten sie haufenweise Süßigkeiten mit nach Hause. „Das war toll! Halloween in der Kirche“, hörte ich doch jemanden sagen. Ehemm. Nun gut. Und wie war das jetzt mit Allerheiligen? Oh. Fällt dieses Jahr leider aus. Oder habe ich da eben die Heilige Katharina mit ihrem Rad um die Ecke huschen sehen?

Nominierung Schwester Robusta-Preis 2014

robusta_header_neuWohoo! Ich bin mit „Oh mein Gott“ für den Schwester Robusta Preis nominiert. WHAT? Ja, liebe Leute, ich hatte auch keine Ahnung. Allerdings wunderte ich mich bereits über die gestiegenen Zugriffszahlen auf diesem Blog. Und jetzt stehe ich also in der Kategorie „Alltag“ auf der Liste.

Diese Liste umfasst zum Teil ziemlich schrilles Zeug. Vieles aus Österreich, falls das für einige von Euch schon eine Erklärung ist. Entschuldigung, das war ein kleiner Scherz. Da gibt es Papsttreue, Rezitatoren, Pfarrer in Südrussland, Kreuzknappen und Cassandra am Teetisch. Da fällt mir die Domain wieder ein, die ich mir hatte schützen lassen: Ichbinkatholisch. Gerade vor zwei Wochen habe ich den Vertrag auslaufen lassen. Das war vielleicht ein Fehler. Was hätte das für ein verücktes Portal werden können.

Also gut, für die Neueinsteiger: ich bezeichne mich selbst als Hobbykatholikin. Seit ich denken kann, war unsere Familie katholisch. Mit beiden Omas bin ich gerne in die Kirche gegangen. Zwischendurch war ich auch mal Messdienerin. Als Jugendliche hatte ich dann andere Sachen zu tun. Heimlich rauchen, wild rumknutschen – so ungefähr alles, was in der Kirche offiziell verboten war.

Inzwischen bin ich verheiratet, habe zwei Kinder, die beide getauft sind. Unsere Tochter wird dieses Jahr zehn und unser Sohn acht Jahre alt. Sie besuchen den katholischen Religionsunterricht und müssen ansonsten damit klar kommen, dass sie in ihrer typischen Innenstadtschule zu einer Randgruppe gehören. Ein Drittel der Kinder gehört keiner Religionsgemeinschaft an. Ein Drittel der Kinder ist muslimisch. Und ein Drittel der Kinder ist christlich, davon nur wenige katholisch. Wir versuchen regelmäßig in die Kirche zu gehen. Aber das klappt leider nicht immer. Ausschlafen, Fußballturniere, Wochenendausflüge, auch schlechtes Wetter hat uns schon abgehalten. Wenn wir dann mal gehen, betreiben wir zudem noch gerne Gemeinde-Hopping. Fällt aber bei den immer größer werdenden Seelsorgeeinheiten überhaupt nicht auf.

Manchmal brauch ich Mut, um mich zu meinem katholisch-sein zu bekennen. Manchmal kokettiere ich damit. Sehr viele Familie, mit denen wir zu tun haben, stehen der Kirche distanziert gegenüber. Aber auch in den professionellen katholischen Kreisen werde ich gerne kritisch beäugt. In der Bibelauslegung kann ich nicht exegetisch korrekt mitreden, an der Liturgie mäkele ich gerne rum und was im Vatikan so vor sich geht, ist mir zum größten Teil fremd. Seit der Aufdeckung und der schleppenden Aufarbeitung der Missbrauchsskandale bin ich misstrauisch geworden. Sehr misstrauisch. Und verärgert. Aber: ich bin nicht aus der Kirche ausgetreten. Auch wenn es viele Gründe dafür gibt, das zu tun. Ich bleibe.

So kann ich also weiterhin aus direkter Nähe beobachten, wie sich Kirche heute präsentiert. Es gibt ja alles: Priester, die nicht singen können. Oder nur nuscheln. Oder noch schlimmer, dummes Zeug reden. Naja, inzwischen gibt es auch immer öfter keine Priester mehr. Das ist mir dann aber auch nicht recht. So ein bisschen Amt und vor allem Würde darf‘s schon sein. Mehr Frauen fände ich natürlich auch toll. Überhaupt warte ich ungeduldig darauf, dass sich die katholische Kirche der Lebensrealität der Menschen wieder annähert. Damit Platz ist für Geschiedene, Homosexuelle und Ökumene. Seele und Halleluja für alle!

Bis es soweit ist, ich weiß, das kann höchstens noch zweitausend Jahre dauern, werde ich mein katholisches Leben hier auf dem Blog dokumentieren. Vielleicht lachen die Kinder mal drüber. Oder kommen ins Nachdenken. Mir würde es schon reichen, wenn sie mir ins Kommentarfeld schreiben: sie hat sich stets bemüht. Aber hey, jetzt bin ich erstmal für den Schwester Robusta-Preis nominiert. Ich freu mich! Hier geht’s zur Abstimmung: Schwester Robusta-Preis. Einfach nach der Erläuterung in der Übersichtsliste auf die Kategorie-Überschrift „Alltag“ klicken. Dann erscheint das Micropoll-Menü mit einer Liste der nominierten Blogs, die zur Wahl stehen. Danke für Eure Stimme!

Meine Toten

Sonntag, 26.10.2014. Ich trage meine Toten in mir. Hinter den Augen. Auf meiner Zunge. In meinem Herzen. Manchmal ist es Trauer. Oder Wut. Oft Frieden. Auch Freude. Ich sage ihre Namen. Ich höre ihre Stimmen. Und dann lass ich sie wieder gehen. Alle meine Toten. Mit den kalten Händen. Auf dem Friedhof möchte ich nach ihnen graben. Sehen, was von ihnen übrig geblieben ist. Vielleicht finde ich noch ein Stück Leben. Nur noch einmal gemeinsam am Esstisch sitzen. Ein Lied singen. Noch ein Kuss. Und ein allerletzter Kuss. Kommt, meine lieben Toten. Wir gehen. Dieser Ort ist nichts für uns.

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Herbsttag 2014

Sonntag, 19.10.2014. Nur eins bleibt: eine unendliche Schönheit, die aus einer Form in die andre tritt, ewig aufgeblättert, verändert, man kann sie aber freilich nicht immer fest halten und in Museen stellen. (Georg Büchner, Lenz)

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Paris Père Lachaise

20140814_130303_resized_114.8.2014, Paris. Friedhofstourismus. Dieser Begriff beschreibt ungefähr das, was man an einem Vormittag im August auf dem größten Friedhof von Paris erleben kann: Père Lachaise. Mit Rucksäcken  und Lageplänen erkunden ganze Trauben von Touristen die Wege und Gräber der stadtähnlichen Anlage. Die Hauptstraßen haben Namen und sind mit dem Autor befahrbar. Einige der Gräber sind so groß wie Gartenpavillons. Überlebensgroße Engel aus Marmor bewachen die Eingänge der Mausoleen. Kunstvoll gehauene Steine verzieren die Fundamente von Obelisken. Manche Areale wiederum sehen ungepflegt aus. Die Gräber sind zerfallen, Gitter rosten windschief vor sich hin, das Moos wächst auf den Steinen. Auf dem Boden liegt mitten im Sommer eine dicke Laubschicht. Dorthin verirrt sich fast niemand. Es ist still. Und ein bisschen unheimlich. Folgt man dann wieder dem Menschenstrom, gelangt man an das Grab von Jim Morrison. Ein Baum ist mit einer Bastmatte geschützt, weil er immer wieder mit Kaugummis beklebt wird. Um das Grab herum ist ein ganzes Areal abgesperrt. Man trifft sich dort, unterhält sich, lacht und raucht. Nur ein paar Schritte weiter, öffnet sich ein Platz mit Bänken. Darauf sitzen Menschen und essen. Ein Autokonvoi rollt vorbei. Angeführt von einem schwarzen VW-Bus, in dessen Fond sich ein Sarg mit Blumenkränzen befindet. Neugierige Blicken mustern die Angehörigen. Die Trauernden weinen hemmungslos. Jemand knipst das.

Ökumenischer Gottesdienst im ZKM

20140323_184009Sonntag, 23.03.2013. Ein ökumenischer Gottesdienst im Rahmen der Ausstellung Global Activism im Kalsruher Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) am Sonntagabend. In einem der Lichthöfe der ehemaligen Munitonsfabrik war mitten zwischen den Ausstellungstücken bestuhlt. Davor ein Stehpult, ein Mikro, fertig. Ja, ja, auch hier das übliche Publikum, so Ü60. Und auch das Musikprogramm ziemlich klassisch: mickriger Gesang bei den Bob-Dylan Songs (englisch!), die von einem netten jungen Mann auf der Gitarre begleitet wurden. Und ziemlich schepprige Elektro-Orgel, die von einem altehrwürdigen Profiorganist bearbeitet wurde.

wallinger_1200Aber: das war gut. Sehr gut! Weil es mir so schön weit weg von Kirchenmuff vorkam. Weil es politisch war. Weil es in einem Rahmen stattfand, der nicht nach katholischem Prunk oder evangelischem Pietismus roch. Man wurde direkt konfrontiert, zum Beispiel mit einem Stück des Originalzauns der Wutbürger von Stuttgart 21 oder einer Installation aus Zelten, wie man sie beim occupy-Protest vor den Frankfurter Bankentürmen und im Gezi-Park gesehen hat. Auch Marc Wallingers Installation gegen den Irak-Krieg, die er 2007 vor Westminster aufgebaut hatte, war ausgestellt. Da fiel mir doch gleich der Text von letztem Sonntag aus Mt. 17, 7b wieder ein: Steht auf, habt keine Angst! Und genau mit dieser Haltung bin ich in die Woche gegangen. Danke!

20140323_195014Weitere Infos auf:

Deutschlandradio Kultur

Spiegel Online Kultur

Holy holy holy!

AR_208_Seraphim_Und ich hatte mich schon gewundert, ob die sechsflügeligen Engel aus der Mode gekommen sind. Mir gefallen sie. Seraphim, Cherubim und andere Sorten. Nein, ich kenne mich nicht sehr gut in der Engelhierachie aus. Aber ich weiß, dass die Seraphim um Gottes Thron schwirren und „Heilig, heilig, heilig!“ singen. Oder schreien. Mit einem Paar Flügel halten sie sich dabei die Augen zu. Mit einem anderen Paar Flügel bedecken sie ihre Füße. Warum eigentlich? Und mit dem dritten Paar fliegen sie. Wohin? Direkt in die Welt der Mangas. Hoohoohooly!

Links: Seraph aus dem Kloster Nea Moni auf der griechischen Insel Chios. Gefunden auf wikipedia.

Rechts: Picture by akarui.Online Art Community www.deviantart.com.

Christmette Heilig Abend 2013

Christmette_120024.12.2012, 23 Uhr. Einer schläft. Alles wacht. Unser jüngster Sohn ist während der Christmette eingeschlafen und war auch nach dem Gottesdienst nicht mehr zu wecken. Komisch, wir waren in der vollbesetzten Kirche die einzige Familie mit Kindern. Ja, es gibt einen Kindergottesdienst mit Krippenspiel am Nachmittag. Aber die Atmosphäre dort ist nicht mit der nächtlichen Feststimmung in der Kirche zu vergleichen. Keine Unruhe, nur tiefseelige Ergriffenheit. Doch, das Heimschleppen hat sich gelohnt.

 

Evangelische Martinskirche Gruibingen

3.11.2013, Sonntagsgottesdienst bei einer Pfarrerin, die vier Kinder hat, predigen kann und gut aussieht. In einer Kirche mit mittelalterlichen Fresken, in die ziemlich scheußliche Fenster hineingehauen wurden. Oh Jesses! Alles wie im richtigen Leben, da in Gruibingen auf der Schwäbischen Alb. Hat uns sehr gut gefallen.

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Taufe meiner Nichte Emma

Sonntag, 29. September 2013, Altdorf, Bayern. Wir haben unsere Toten in der Familie. Und wir haben unsere Kinder. Es ist nicht auszuschließen, dass sie miteinander in Verbindung stehen. Immerhin ist die kleine Emma am Todestag ihrer viel zu früh gestorbenen Oma geboren. Ich finde das unheimlich. Und sehr tröstlich.

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Maria Himmelfahrt 2013

Die Aufnahme Marias in den Himmel. Ein Dogma. Naja, das halte ich für ein bisschen übertrieben. Dafür gibt es zur Feier des Tages Weihrauch! Weihrauch im Gottesdienst ist das Allerschönste überhaupt.

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Die ganze Kirche duftet. Nach Weihrauch und Kräutern, die um den Altar liegen und von denen sich jeder ein Sträußchen mit nach Hause nehmen kann. Na klar, die sind schön gesegnet, mit Weihwasser und allem drum und dran. Heute bin ich gern katholisch.

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Das dämliche Dogma hab ich am Ende des Gottesdienstes vor lauter Weihrauch schon wieder vergessen. Und meine Sorgen und Ängste auch. Die sind gleich mit verdampft. Wirkt.

Das Versagen der Religionen

Mann. Natürlich: immer wieder die Frage nach dem Namen. Frido Mann. Lieblingsenkel von Thomas Mann. Auch an diesem Abend die Einstiegsfrage: „Wie lebt es sich mit diesem Namen?“ Darauf gibt er eine abgeklärte Antwort. Ungefähr: „Mal so. Mal so.“ Nachlesen kann man das alles in seiner Autobiografie „Achterbahn. Ein Lebensweg“. Heute Abend geht es um sein neues Buch „Das Versagen der Religionen. Betrachtungen eines Gläubigen“, erschienen im Kösel Verlag.

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Frido Mann ist also nicht nur als Enkel von Thomas Mann zu dieser Lesung gekommen. Hineingeboren in die große Schriftstellerfamilie wuchs er hauptsächlich in der Schweiz bei seiner Großmutter Katia Mann auf. Er ist studierter Musiker, promovierter Theologe und Diplom Psychologe. Als Professor für Psychologie arbeitete er bis 1990 als Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie. Heute Abend steht sein theologischer Hintergrund im Vordergrund. Oder besser: seine persönlichen Glaubenserfahrungen.

Angezogen von der Liturgie, wie er sagt, konvertierte er in seiner Jugend von der evangelischen zur katholischen Kirche. Unter Ratzinger als Papst trat er 2009 wieder aus der katholischen Kirche aus. Als Anstoß nennt er die Wiederannäherung der katholischen Kirche an den Holocaustleugner Richard Williamson. Auch interessant: sein Sohn ist Quäker.

Nach der kurzen, persönlichen Vorstellung beginnt er, aus seinem neuen Buch zu lesen: „Aber auch die heute besonders in Europa wachsende Zahl der Konfessionslosen, der aus der Kirche Ausgetretenen oder der reinen Steuerzahlungschristen, die nicht (mehr) an einen persönlichen Gott glauben wollen und daher auf eine Teilnahme am kirchlichen Gemeindeleben verzichten und trotzdem ernsthaft und nachhaltig nach einem Lebenssinn suchen, stehen zahlreiche alternative Möglichkeiten offen.“

So ist es. Ich schaue mich im Publikum um. Schwer einzuschätzen, wer hier was sucht. Ungefähr 30 Leute, Altersdurchschnitt um die 70 Jahre. Ich wundere mich, dass so wenig junge Menschen da sind. Man kann Mann nur mehr Publikum wünschen. Vielleicht schon auf dem Kirchentag in Hamburg. Am Donnerstag, dem 2. Mai 2013, im Großen Saal der Patriotischen Gesellschaftist eine grundlegende Debatte über Religion angekündigt. „Ohne Tabus“ wird Frido Mann mit dem evangelischen Theologen und Kirchenkritiker Klaus Peter Jörns, dem Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer sowie der langjährigen Fernseh-Pfarrerin Mechthild Werner und Sprechwissenschaftlerin Ulrike Trebesius-Bensch diskutieren (11 bis 13 Uhr). Aber wer geht schon auf den Kirchentag?

Manns Vision: Der Glaube als individualisierter Prozess mit regionaler Prägung. Die Trennung von Kirche und Staat. Die Finanzierung nach amerikanischem Modell. Doch er selbst stellt fest: „Davon sind wir meilenweit entfernt.“ Weiter geht es in seinem Buch: „In jedem Fall hat sich nach den Entwicklungen der vergangenen Jahrhunderte vor allem im christlichen Abendland in der Einstellung der Menschen zu Religionen und zu religiöser Praxis so viel geändert, dass die Grenzen zwischen Religion, Spiritualität, Transzendenz, Transpersonalität oder auch nur dem Streben nach personeller Entfaltung, Vertiefung oder Vervollkommnung fließend geworden sind.“

Religiöse Erbauung kann also überall stattfinden. In der Kunst. Im Konzert. In der Natur. Beim Spaziergang. Mann schlägt den Bogen noch weiter. Er glaubt, dass in diesen völker- kultur- und religionsübergreifenden Erfahrungen Gemeinsamkeiten geschaffen werden, die die drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam verbinden. Sein überzeugendstes Beispiel: das West-Eastern-Divan-Orchestra, ein Symphonieorchester, das sich aus jungen Musikerinnen und Musikern aus Israel, Arabien und Andalusien zusammensetzt und sich einmal im Jahr für eine Probenperiode mit anschließender Tournee trifft.

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Am Ende des Abends gibt es die Möglichkeit, das Buch zu kaufen und signieren zu lassen. Diese Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen. Und – was schreibt er hinein? Seinen Namen. Mann. Frido Mann. Sonst nichts.

Besuch in einer Moschee

Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit, die Merkez-Moschee in Karlsruhe zu besichtigen. Die Türkisch Islamische Gemeinde in Karlsruhe wurde vor 25 Jahren gegründet und gehört dem Dachverband DITIB an. Sie hat nach eigenen Angaben ca. 250 Mitglieder. Zum Freitagsgebet versammeln sich dort regelmäßig bis zu 800 Muslime. An Feiertagen ist die Zahl deutlich höher. Das Gebäude befindet sich in einem alten Fabrikgebäude in einem gut entwickelten Industriegebiet.

Nicht nur der Gebetsraum sei inzwischen zu klein, auch die Gemeinschafts- und Versammlungsräume. Deshalb hat die Gemeinde angekündigt, dass sie ein neues Gemeinde- und Begegnungszentrum bauen möchte. Die Reaktionen darauf in der lokalen Presse und in den Kommentarspalten der hiesigen Onlinezeitung spiegeln zum Teil große Ängste, gewollte Halbwahrheiten und echten Hass wider.

Während der Führung erklären der Imam Ahmet Arslan, sowie zwei Gemeindemitglieder (eine Frau und ein Mann), wie eine Moschee aufgebaut ist. Wir erfahren, wie die Gemeinde organisiert ist. Auch die Grundzüge des muslimischen Glaubens werden skizziert. Die Atmosphäre ist entspannt und offen. Auf jede Frage wird eine Antwort gegeben. Kritische Themen wurden allerdings nicht angesprochen. Ich selbst wollte wissen: Wo wird in der Moschee der Koran aufbewahrt? (Er liegt im Bücherregal. Er darf überall sein. Nur nicht auf dem Boden.) Was ist in der Kaaba? (Nichts. Dann folgt die etwas längere Geschichte von Adam, der das Haus in Mekka baute. Bis hin zu Abraham, der es wieder aufbaute.)

Wir haben Kinder dabei. Auf die Frage, ob es nicht störe, wenn sie im Gebetsraum rumrennen, erhielt ich vom Imam die Antwort, dass er selbst drei Kinder habe. Er hat dabei gelacht. Und habe ich mich verhört, oder hat er tatsächlich gesagt, dass die hier ab und zu Fußball spielen?! Wir haben während der Führung den Gebetsraum, den Aufenthaltsraum und den Versammlungsraum  gesehen. Und die Küche, mmh, lecker! Dort laufen schon die Vorbereitungen für das 15. Kulturfest. Es wird an Pfingsten stattfinden. Ich glaube, da schaue ich nochmal vorbei. Mich hat nämlich ganz besonders die Herzlichkeit der Frauen begeistert. Die meisten Jüngeren sprechen fließend Deutsch. Ihre Kinder gehen mit unseren in die Schule. Es ist diese kommende Generation, die den Religions- und Integrationsfrieden leben muss. Wir können ja schon mal damit anfangen.

 

Esel, welcher Esel?

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Palmsonntag. Der Beginn der Karwoche. Der Sonntag vor Ostern. Der Pfarrer kommt im blutroten Gewand. Die Kinder haben Palmwedel mit bunten Bändern gebastelt. Mit Weihwasser und Weihrauch wird heute richtig katholisch gefeiert.  Auch die Prozession vom Hinterhof der Kirche zum Hauptportal ist nicht peinlich. Vielleicht, weil dabei nicht gebetet und gesungen wurde. Es war eher so eine Art Spaziergang. Mein sechsjähriger Sohn erkennt die außergewöhnliche Situation und ist zufrieden. Die Kinder sind immer ein guter Gradmesser, ob die Dramaturgie stimmt.

Die Kirche ist voll. Sehr voll. Wo sind die denn bitte sonst alle? Ich singe heute besonders laut mit bei „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen?“ Meine Lieblingsstelle in der Liturgie, das Halleluja, wird es bis Ostern nicht geben. Aber dann wieder mit Glockenklang und Geschepper!

Das Evangelium von der Passion Christi wird mit verteilten Rollen gelesen. Ich bin dankbar, dass alle drei Redner klar und deutlich sprechen können. Das ist nicht selbstverständlich. Nuschler, Tuschler, Zischler – alles schon erlebt. Und die Passionsgeschichte ist lang, wenn sie vorgelesen wird. Ungefähr zwanzig Minuten. Ein bewegender Moment:  an der Textstelle, wo Jesus am Kreuz stirbt knien alle in der Kirche nieder. Und verharren eine Weile in Stille. Stille. Eine kleine Hand schiebt sich in meine. Aha, wirkt.

Neue Erkenntnisse? Ja, man muss erhöht werden, um erniedrigt zu werden.  Was ich nochmal nachgucken muss: welche Rolle spielt der Esel? Ansonsten: nix zu meckern.