Das Versagen der Religionen

Mann. Natürlich: immer wieder die Frage nach dem Namen. Frido Mann. Lieblingsenkel von Thomas Mann. Auch an diesem Abend die Einstiegsfrage: „Wie lebt es sich mit diesem Namen?“ Darauf gibt er eine abgeklärte Antwort. Ungefähr: „Mal so. Mal so.“ Nachlesen kann man das alles in seiner Autobiografie „Achterbahn. Ein Lebensweg“. Heute Abend geht es um sein neues Buch „Das Versagen der Religionen. Betrachtungen eines Gläubigen“, erschienen im Kösel Verlag.

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Frido Mann ist also nicht nur als Enkel von Thomas Mann zu dieser Lesung gekommen. Hineingeboren in die große Schriftstellerfamilie wuchs er hauptsächlich in der Schweiz bei seiner Großmutter Katia Mann auf. Er ist studierter Musiker, promovierter Theologe und Diplom Psychologe. Als Professor für Psychologie arbeitete er bis 1990 als Direktor des Instituts für Medizinische Psychologie. Heute Abend steht sein theologischer Hintergrund im Vordergrund. Oder besser: seine persönlichen Glaubenserfahrungen.

Angezogen von der Liturgie, wie er sagt, konvertierte er in seiner Jugend von der evangelischen zur katholischen Kirche. Unter Ratzinger als Papst trat er 2009 wieder aus der katholischen Kirche aus. Als Anstoß nennt er die Wiederannäherung der katholischen Kirche an den Holocaustleugner Richard Williamson. Auch interessant: sein Sohn ist Quäker.

Nach der kurzen, persönlichen Vorstellung beginnt er, aus seinem neuen Buch zu lesen: „Aber auch die heute besonders in Europa wachsende Zahl der Konfessionslosen, der aus der Kirche Ausgetretenen oder der reinen Steuerzahlungschristen, die nicht (mehr) an einen persönlichen Gott glauben wollen und daher auf eine Teilnahme am kirchlichen Gemeindeleben verzichten und trotzdem ernsthaft und nachhaltig nach einem Lebenssinn suchen, stehen zahlreiche alternative Möglichkeiten offen.“

So ist es. Ich schaue mich im Publikum um. Schwer einzuschätzen, wer hier was sucht. Ungefähr 30 Leute, Altersdurchschnitt um die 70 Jahre. Ich wundere mich, dass so wenig junge Menschen da sind. Man kann Mann nur mehr Publikum wünschen. Vielleicht schon auf dem Kirchentag in Hamburg. Am Donnerstag, dem 2. Mai 2013, im Großen Saal der Patriotischen Gesellschaftist eine grundlegende Debatte über Religion angekündigt. „Ohne Tabus“ wird Frido Mann mit dem evangelischen Theologen und Kirchenkritiker Klaus Peter Jörns, dem Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer sowie der langjährigen Fernseh-Pfarrerin Mechthild Werner und Sprechwissenschaftlerin Ulrike Trebesius-Bensch diskutieren (11 bis 13 Uhr). Aber wer geht schon auf den Kirchentag?

Manns Vision: Der Glaube als individualisierter Prozess mit regionaler Prägung. Die Trennung von Kirche und Staat. Die Finanzierung nach amerikanischem Modell. Doch er selbst stellt fest: „Davon sind wir meilenweit entfernt.“ Weiter geht es in seinem Buch: „In jedem Fall hat sich nach den Entwicklungen der vergangenen Jahrhunderte vor allem im christlichen Abendland in der Einstellung der Menschen zu Religionen und zu religiöser Praxis so viel geändert, dass die Grenzen zwischen Religion, Spiritualität, Transzendenz, Transpersonalität oder auch nur dem Streben nach personeller Entfaltung, Vertiefung oder Vervollkommnung fließend geworden sind.“

Religiöse Erbauung kann also überall stattfinden. In der Kunst. Im Konzert. In der Natur. Beim Spaziergang. Mann schlägt den Bogen noch weiter. Er glaubt, dass in diesen völker- kultur- und religionsübergreifenden Erfahrungen Gemeinsamkeiten geschaffen werden, die die drei monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam verbinden. Sein überzeugendstes Beispiel: das West-Eastern-Divan-Orchestra, ein Symphonieorchester, das sich aus jungen Musikerinnen und Musikern aus Israel, Arabien und Andalusien zusammensetzt und sich einmal im Jahr für eine Probenperiode mit anschließender Tournee trifft.

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Am Ende des Abends gibt es die Möglichkeit, das Buch zu kaufen und signieren zu lassen. Diese Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen. Und – was schreibt er hinein? Seinen Namen. Mann. Frido Mann. Sonst nichts.

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