Religion in der Schule

Unsere Kinder gehen in eine Grundschule in der Innenstadt. Siebzig Prozent der Kinder haben Migrationshintergrund. Da sind zum Beispiel Jekaterina, Ludovico, Faria, Apollo, Hamza, Nidanur, Janosch und Ali. Ihre Eltern sind Professoren an der Uni, Richter am Landesgericht, Ingenieure oder Architekten. Andere Eltern beziehen Hartz IV. Die meisten Eltern arbeiten als Verkäuferin, Versicherungskaufrau, Arzthelferin oder Buchhalter. Es gibt aber auch ein paar Kreative wie Galeristen, Verleger oder Illustratoren.

Ich schätze, dass ein Drittel der Kinder konfessionslos ist. Ein weiteres Drittel ist muslimisch. Und ein Drittel der Kinder ist christlich getauft. Davon ist der kleinste Teil katholisch. In manchen Jahrgangsstufen sind es nur ein oder zwei katholische Kinder. Sie kommen aus unterschiedlichen Seelsorgeeinheiten, sehen sich im Regelfall nicht beim Kindergottesdienst und gehen nur zusammen zum Kommunionsunterricht, wenn man sie dementsprechend ummeldet.

In Baden-Württemberg gibt es für die Grundschulen keinen Ethikunterricht. Deshalb haben die Kinder, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, frei. Das bedeutet, dass sie dann von der Schule betreut werden müssen. Gerne werden die Religionstunden deshalb in die erste oder letzte Stunde gelegt: die Kinder schlafen länger oder gehen früher nachhause – oder in die schuleigene Betreuung, die ohnehin für die Kernzeit von 7.30 bis 14.00 Uhr verantwortlich ist.

An unserer Schule findet der Religionsunterricht nachmittags statt. Auch für die Erstklässler. Es gab das Gerücht, dass die Lehrerin, eine ältere Dame, nicht zweimal in der Woche kommen wolle, denn einzelne Randstunden wären im Stundenplan noch frei gewesen. Wie gesagt, ein Gerücht. Ich kenne die Frau nicht persönlich und weiß nur, dass sie mit den Kindern gerne Mandalas ausmalt und bastelt. Das soll keine Wertung sein. Ist nur eine Beobachtung, was die Kinder nach ihrer Doppelstunde am Nachmittag im Schulranzen haben.

Weihnachtsgottesdienst oder Friedensfest

Obwohl also immer weniger Kinder in den Religionsunterricht gehen, gibt es an unserer Schule einen Weihnachtsgottesdienst. Mir persönlich wäre es auch am liebsten, wenn alle daran teilnehmen würden, egal ob getauft oder nicht und zusammen „Oh, Du Fröhliche!“ singen.  Ganz so einfach ist es aber nicht.

Es gibt eine Mutter, die sich bis zum Landtag hoch beschwert hat, dass ihr Kind nicht mit in die Schulgottesdienste muss. Das ist ihr gutes Recht. Sie bezeichnet sich selbst als Atheistin. Wie der Betreuer sie nennt, der die Einzelbetreuung für ihren Sohn übernehmen muss, weiß ich nicht.

Weicht man also auf ein Friedensfest für alle aus? Diese Frage wird an unserer Schule seltsamerweise überhaupt nicht gestellt. Auch nicht von den muslimischen Eltern. Im Kindergarten habe ich allerdings folgendes erlebt: Obwohl der Träger des Kindergartens die Evangelische Kirche war, wurde der St. Martinsumzug in „Lichterfest“ umgetauft. Ansonsten blieb alles, wie es war – mit St. Martinsspiel, Dambedeis, Laternen und jeder Menge nicht getaufter und andersgläubiger Kinder, die laut und inbrünstig „Rabimmel Rabammel Rabumm“ sangen. Viele von ihnen bekommen von ihren Eltern an Weihnachten sogar Geschenke.

Inzwischen gibt es alle möglichen Familienkonstellationen und Glaubensmodelle. Ehrlich gesagt, blicke ich schon lange nicht mehr richtig durch. Es ist ja auch nicht das Erste, was man fragt: „Woran glaubt Ihr eigentlich?“ Es ergibt sich nebenbei. Maria, die Inderin wünscht mir zum Beispiel frohe Feiertage. Rainer, der alleinerziehende Vater geht mit seinem Sohn Skifahren. Manche berichten ungefragt, dass sie Weihnachten hassen – und meinen damit vielleicht ihre Schwiegermutter. Andere gehen sowieso immer nur an Heilig Abend in die Kirche. Und die aus der Kirche ausgetreten sind, gehen an Weihnachten einfach mal wieder in die Kirche. Was soll’s? Eine Kollegin von mir meinte neulich: „Es geht um Liebe. Das ist universal.“ Da hat sie auch irgendwie Recht. Und wäre das nicht auch ein schönes Schulfach?

 

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